@Rudi KnothRudi Knoth hat geschrieben:Dies will ich an einem Analogfall aus der einfachen Koordinatentransformation in der Ebene erläutern. Angenommen, wir haben in einem Koordinatensystem einen Punkt mit einer X- und einer Y-Koordinate. Dann ist der Abstand dieses Punktes vom Ursprung die Wurzel der Summe der Quadrate der Koordinaten. Jetzt drehen wir dieses Koordinatensystem [...] Der Abstand vom Ursprung ist natürlich derselbe.
Ja, das ist klar. Aus dem Satz des Pythagoras ergibt sich, dass hier der Abstand vom Ursprung invariant bezüglich der Orientierung des Koordinatensystems ist. Hier so ein Beispiel, wo ein Ereignis (Kollision zweier Kugeln) in zwei gegeneinander gedrehten Systemen unterschiedliche Ortskoordinaten (x,y) hat:
- Abstandsquadrat.jpg (26.15 KiB) 88-mal betrachtet
Im weißen System sind die Koordinaten in Meter (24,7), im andern System (20,15). Es gilt für den Abstand
a (nicht gezeichnet) vom Ursprung in beiden Systemen:
a² = (20 m)² + (15 m)² = (24 m)² + (7 m)² = (25 m)² ⇒
a = 25 m. Das wussten schon die alten Babylonier. Es funktioniert natürlich nur, wenn der Ursprung beider Systeme am selben Ort ist.
Rudi Knoth hat geschrieben:Trotzdem klingt es doch etwas skurril, wenn man für die X-Achse aus diesem Grund eine andere Einheit für den Abstand wählt, weil dieser doch gleich sein muß.
Stimmt, es klingt etwas skurril, weil ja bereits vorausgesetzt ist, dass die Koordinatensysteme gleich sind, d.h. die Einheiten gleich lang. Lediglich die Orientierung ist anders. Mit unterschiedlicher Skalierung der Systeme würde die Beziehung
a² = x² + y² nicht gelten. Das ist wohl wahr.
Weil es zugegeben etwas skurril anmutet und ziemlich unpraktikabel wäre wird sowas auch nicht gemacht. "Es gibt" wirklich keine verschiedene Skalierung der Systeme z.B. in dieser Euklidischen Geometrie. Niemand arbeitet damit, warum auch? Solche relativen Einheiten taugen nicht für den praktischen Gebrauch.
Soweit sind wir hier schon einig, denke ich mal. Aber jetzt kommt's...Fakt ist doch, dass man mit der gleichen Skalierung zwei verschiedene x-Werte an der Zahl für das Ereignis hat. Diese sind äquivalent in dem Sinn, dass beide denselben Ort angeben, in der Zeichnung eben den Ort des Ereignisses. Man könnte sich also überlegen – und sei es nur als Spielerei – wie eine Transformation aussehen würde, welche die beiden x-Koordinaten direkt ineinander überführt. Etwas wie ein euklidischer Gammafaktor oder eine Funktion γe, womit x = γe(x') gilt.
Dann kann man doch zu recht sagen: Der Abstand des Ereignisses vom Ursprung hat zwar zwei verschiedene x-Koordinaten, je nach Koordinatensystem, aber wenn man die Systeme entsprechend skaliert, dann kann man beide x-Werte gleichsetzen und ihre Einheiten sind halt verschieden. Zumindest
darf man das machen... die Gedanken sind frei. Mathematisch ist es nicht falsch und ebenso naturgegeben wie die Skalierung mit der gleichen Längeneinheit in beiden Systemen. Die Natur schreibt uns ja keine Einheiten und Skalierungen vor. Das ist Definitionssache. Den Pythagoras kann man damit nicht mehr anwenden, aber dafür könnte man etwas schreiben wie x m = x' γe(m).
Aber was soll das bringen? Damit kann man doch nichts anfangen, könnte jemand einwenden. Naja, zumindest für mich war und ist diese Vorstellung hilfreich. So wird anschaulich klar, dass z.B. die verschiedenen Abstände in Meter zwischen Erde und Mond, die ein Reisender und ein Ruhender misst, realiter ein- und derselbe Abstand sind. Der Mond existiert ja nicht doppelt oder sowas. Diesen Abstand kann man ausdrücken in X und X' Längeneinheiten als die beiden Messwerte, wobei die Gleichsetzung X m = X' γm deutlich macht, dass es realiter derselbe Abstand ist. Die Einheiten muss man nicht wirklich so notieren, nur im Hinterkopf behalten, dass tatsächlich X = X' gilt, eben mit verschieden langen Metern, von der Natur im Minkowski-Raum heimlich untergejubelt.
Das gleiche für den zeitlichen Abstand: Die verschiedene Dauer der Reise in den beiden Systemen ist realiter eine einzige Dauer, eben die Dauer der Reise von der Erde zum Mond, zwischen den beiden Ereignissen Abflug und Ankunft. Diese Dauer kann man sich denken in T und T' Zeiteinheiten als die beiden Messwerte, wobei die Gleichsetzung T s = T' γs deutlich macht, dass es realiter dieselbe Dauer ist. Die Einheiten muss man nicht wirklich so notieren, nur im Hinterkopf behalten, dass tatsächlich T = T' gilt, eben mit verschieden langen Sekunden, von der Natur im Minkowski-Raum heimlich untergejubelt.
Deutlich auch beim Zwillingsparadoxon: Einer reist ab und kehrt zurück. Das ganze hat eine Dauer und nicht zwei. Der Reisende hat eben die längere Zeiteinheit während der Reise. Das ist m.E. einfach zu verstehen. Für manche halt nicht.
Das mit den Einheiten war von Anfang an nur als kleine Denkhilfe gedacht und ich wollte wirklich nicht so ein Heckmeck darum machen, zu dem es leider geworden ist. Wir wissen alle warum. Wem es nicht hilft, der kann es ja getrost wieder vergessen. Aber ewig darauf herumreiten, permanent darauf anspielen um es ins Lächerliche zu ziehen... ein No-Go. Undank ist der Welt Lohn. Damit bist nicht du gemeint, Rudi.