In
Atomuhren nutzt man die Eigenschaft von Atomen aus, beim Übergang
zwischen zwei Energieniveaus elektromagnetische Wellen mit einer
charakteristischen Schwingungsfrequenz f0 abstrahlen
oder absorbieren zu können. Dazu gut geeignete Atome sind z. B.
die Alkalien mit ihrer Hyperfein-strukturaufspaltung des Grundzustandes.
Die folgende Abbildung verdeutlicht das Funktionsschema einer
sogenannten passiven Atomuhr:
Ausgehend
von einem Quarzoszillator VCXO (Voltage-Controlled Xtal
Oscillator) wird mittels eines Frequenzgenerators ein
elektromagnetisches Wechselfeld der Frequenz fp
(mit fp ~ f0) in die
Resonanzapparatur eingekoppelt. Dort werden die Atome
dem Wechselfeld ausgesetzt und dadurch der Übergang zwischen
den betrachteten Energieniveaus angeregt. Für dessen Beobachtung
ist es notwendig, die Mehrzahl der Atome zunächst in einen
der beiden Zustände zu bringen. Dann kann man aus der
Änderung der Besetzungszahlen der Energieniveaus nach
der Wechselwirkung die Übergangswahrscheinlichkeit ermitteln.
Diese ist maximal, wenn fp mit f0
übereinstimmt.
Man registriert eine resonanzartige Reaktion der Atome,
die in ein Nachweissignal ID mit einer
spektralen "Linienbreite" W umgesetzt wird. Es
ist W ~ 1/T, wobei T die Wechselwirkungszeit
der Atome mit dem Bestrahlungsfeld ist.
Das
Signal ID enthält also die gesuchte Information,
ob die Frequenz fp mit der Übergangsfrequenz
der Atome f0 übereinstimmt.
ID wird so weiterverarbeitet, dass daraus
ein Regelsignal UR zur Regelung des VCXO abgeleitet
wird. Dessen natürliche Frequenzschwankungen werden so entsprechend
der eingestellten Regelzeitkonstanten unterdrückt, und die Stabilität
der atomaren Resonanz bestimmt die Qualität des Ausgangssignals.
Vom VCXO wird eine Normalfrequenz fn (üblicherweise
5 MHz) abgegeben, die entsprechend der Anwendung weiterverarbeitet
wird.
Erzeugt
man beispielsweise nach jeweils 5 Millionen Perioden von fn
einen kurzen elektrischen Impuls, so haben aufeinander folgende
Impulse den zeitlichen Abstand von einer Sekunde. Voraussetzung
hierfür ist natürlich, dass die Umsetzung von fn
nach fp mit dem korrekten Multiplikationsfaktor
k geschieht. In der Caesiumatomuhr muss also k·5
MHz = 9192,631770 MHz gelten, in der Rubidiumatomuhr
k·5 MHz = 6384,6826128 MHz.
Caesium-Uhren
mit thermischem Atomstrahl
Die
Caesiumuhr hat eine herausragende Bedeutung, da mit ihr die
Zeiteinheit realisiert wird. Sie funktioniert nach obigem Prinzip:
Ein Cs-Atomstrahl (atomic beam) tritt aus der Düse eines Ofens
(casesium source) aus, der Strahl passiert einen ersten Magneten,
genannt Polarisator, der nur Atome im Energiezustand E2
in die gewünschte Richtung ablenkt, so dass ein zustandsselektierter
Atomstrahl in den Mikrowellenresonator eintritt. In den beiden
Endpartien des Resonators werden die Atome mit dem Mikrowellenfeld
bestrahlt, und im Resonanzfall gehen die Atome in den Zustand
E1 über.
Der Analysatormagnet lenkt nun gerade diese Atome auf einen
geheizten Draht (hot wire). Dort werden Cs-Atome zu Cs+-Ionen,
die durch ein magnetisches Massenfilter auf die erste Dynode
eines Sekundärelektronenvervielfachers (SEV) gelenkt werden.
Caesiums
hat den Vorzug, dass es in der Natur nur ein einziges stabiles
Caesium-Isotop gibt. Weiterhin ist der Dampfdruck schon bei
einer Temperatur von etwa 100 °C des Ofens groß
genug, um einen intensiven Atomstrahl zu erzeugen.
Seit
Ende der 1950er Jahre werden jährlich weltweit etwa 100
bis 200 Caesiumuhren produziert. Alle funktionieren nach dem
obigen Prinzip, Unterschiede in Details führen zu etwas verschiedenen
Eigen-schaften. Gegen störende elektrische Felde wird ein
Magnetfeld (magnetic field) eingesetzt, Magnetfelder selbst
sind kaum, Gravitationsfelder gar nicht abschirmbar. Dennoch
realisieren die besten Caesiumuhren die SI-Sekunde mit einer
Unsicherheit von wenigen 10-13 s. Sie können
aufgrund des hohen Gewichts, des hohen Energieverbrauchs und
der großen Strahllänge (bis 6 m!) in Satelliten nicht
eingesetzt werden.
Die
Rubidium-Uhr (z.B. eingesetzt in den GPS-Satelliten)
Im
Rubidiumdampf-Frequenznormal (Rubidiumuhr) wird der Übergang
zwischen den Hyperfeinstrukturniveaus des Isotops 87Rb
bei einer Frequenz von f0 = 6384 MHz
verwendet. Das Prinzip zeigt folgende Abbildung:
Die
Besetzung des gewünschten Zustands und der Nachweis des Übergangs
erfolgt mit einem optischen Verfahren. Licht aus einer 87Rb-Lampe
wird zunächst durch eine Filterzelle, die 85Rb-Dampf
enthält, geschickt. Anschließend regt es 87Rb-Atome
in einer mit Puffergas gefüllten Absorptionszelle an, die
sich in einem Mikrowellenresonator befindet. Das Puffergas,
eine Mischung leichter Edelgase, verlängert die Wech-selwirkungszeit
T der Atome mit der Mikrowellenbestrahlung, indem es
die Stoßrate der Atome mit der Wand der Zelle reduziert. Die
spektrale Zusammensetzung des gefilterten Lichtes macht es
möglich, durch sog. optisches Pumpen selektiv das untere Hyperfeinstrukturniveau
der 87Rb-Atome zu entvölkern, sodass diese Atome
nach einiger Zeit Aufenthalt in der Zelle kein (Pump)-Licht
mehr absorbieren können. Sobald Mikro-wellenstrahlung der
Frequenz fp ~ f0 auf die
Atome einwirkt, wird das untere Niveau wieder besetzt, und
man beobachtet Absorption. Im Resonanzfall wird im Signal
ID des Photodetektors ein Minimum beobachtet.
Die Linienbreite W des Resonanzsignals liegt typischerweise
im Bereich von 500 Hz.
Rubidiumuhren
können in kompakten Abmessungen und zu günstigem Preis hergestellt
werden. Beträchtliche Stückzahlen finden in den Bereichen Telekommunikation,
Energieversorgung (Überwachung des Zustands der Energieverteilungsnetze)
und für Kalibrierungen in der Industrie Anwendung. Ein sehr
hoch entwickeltes Modell arbeitet in der neuesten Generation
der Satelliten des GPS-Navigationssystems.
Das
Funktionsprinzip einer Rubidiumuhr weist einige gravierende
Schwächen auf. So treten Abweichungen zwischen der im Betrieb
beobachteten Resonanzfrequenz und dem Wert von f0
ungestörter 87Rb-Atome von relativ etwa 10-9
auf. Diese werden hauptsächlich durch das Magnetfeld in der
Zelle, durch Stöße der Rb-Atome mit dem Puffergas und durch
ihre gleichzeitige Wechselwirkung mit Licht und Mikrowellenfeld
verursacht. Weiterhin verändern Temperatureinfluss oder Alterung
das Spektrum und die Intensität der Strahlung der Lampe, sowie
die Zusammensetzung des Gases sowohl in der Filterzelle als
auch in der Absorptionszelle. Dies begrenzt die erreichbare
langzeitige Frequenzstabilität und verhindert, dass Rubidiumuhren
ohne Kalibrierung für die Realisierung der Zeiteinheit verwendet
werden können. Gegen Magnetfelder schlecht und gegen Gravitationsfelder
gar nicht geschirmt, unterliegt auch diese Uhr vielen physikalisch
störenden, nicht vermeidbaren Einflüssen. Nicht zuletzt
aus diesen Gründen müssen die Satellitenuhren des
GPS von den Bodenstationen aus kalibriert, bzw. ständig
kontrolliert und nachgestellt werden. Zum Nachweis der Einsteinschen
Relativitätstheorien eignen sie sich deshalb nicht.
Siehe dazu den Aufsatz: Relativistische
Korrekturen für GPS und ihre Sinnlosigkeit!
Caesiumuhren
CS1, CS2 ... CS4 ...
Mit
dem Ziel, eine besonders hohe Genauigkeit über lange Betriebszeiten
zu erreichen, wurden an der PTB die Atomuhrengeneration CS1...
CS4 ... entwickelt und aufgebaut. Derzeit besitzt die PTB 6 industriell
gefertigte Caesiumuhren.
Die
neu entwickelten Caesiumuhren brachten einige Vorteile mit.
Das für die Aufspaltung der Terme erforderliche schwache Magnetfeld
legte man in die Flugrichtung der Atome. Die eingesetzten Magneten
waren viel kleiner als die vorher verwendeten Zweipolmagneten
und hatten ein viel schwächeres magnetisches Streufeld. So konnte
man mit einem rotationssymmetrischen Strahl kleinen Durchmessers
(3 mm) arbeiten. Dadurch verringern sich die Fehler, die durch
nicht phasensynchrone Hochfrequenzfelder für die Bestrahlung
der Atome bedingt sind. CS1 wurde 1969 in Betrieb genommen.
Bis 1974 dauerte die Erprobung. Seit 1975 arbeitet CS1 im Dauerbetrieb.
Die Unsicherheit des Normals beträgt weniger als 1 Sekunde auf
1 Million Jahre. Die Internationale Atomzeitskala (TAI)1,
die Koordinierte Weltzeit (UTC) und die Gesetzliche Zeit in
Deutschland richten sich weitgehend nach CS1. Die Apparatur
wiegt etwa 20 kg, Strahllänge 1,4 m. Ihre Anwendung in
Satelliten ist eher nicht möglich. Allerdings sind mittlerweile
Caesium-Uhren so klein und kompakt geworden, dass sie in neuen
Satelliten bereits zum Einsatz kommen.
Nach
den Generationen CS2 .. CS4 ... wurden die bislang genauesten
Atomuhren, die Fontänen-Atomuhren CSF1 CSF 2 ... (usw)
konstruiert.
Fontänen-Atomuhr
CSF1
Der
Phasenvergleich zwischen atomarer Schwingung und Generatorfeld
ist um so genauer, je mehr Zeit zwischen den beiden Mikrowellenanregungen
vergeht. Das Ziel war daher, die Flugzeit gegenüber der mit
einem thermischen Atomstrahl erreichbaren zu verlängern. Hierzu
baute man eine "Caesium-Fontäne" auf, in der die langsamen Atome
aus einer senkrecht orientierten thermischen Quelle unter der
Wirkung der Schwerkraft umkehren sollten. So konnte
man ihre Zustandsänderung nachweisen, nachdem sie sowohl beim
Steigen als auch beim anschließenden Fallen dasselbe Mikrowellenfeld
durchflogen hatten. Durch Laserkühlung sammelt man in Bruchteilen
einer Sekunde etwa 107 kalte Caesiumatome in einer Wolke auf,
deren Relativgeschwindigkeiten im Bereich von einigen cm/s liegen.
Die Atome sind sozusagen "eingefroren" und man erhält eine Quelle
kalter Atome. Werden die Laser, die die vertikale Bewegung der
Atome beeinflussen, auf definierte Weise kurzzeitig gegeneinander
verstimmt, so kann den gekühlten Atomen ein gezielter "Schubs"
aufwärts gegeben werden: Sie fliegen mit einigen m/s nach oben,
steigen solange auf, bis die Schwerkraft ihre Bewegungsenergie
aufgezehrt hat, und fallen auf dem gleichen Weg wieder zurück.
Ähnlich
wie in einer konventionellen Atomuhr wird der Energiezustand
der Atome manipuliert und gemessen. Die Atome werden zu
Beginn in einem einzigen Energiezustand präpariert und
sie durchfliegen während ihrer Auf- und Abwärtsbewegung
ein Mikrowellenfeld. Die Zeit der Wechselwirkung ist jedoch
bedeutend länger als in konventionellen Atomuhren: Wie
ein Stein, den man einen Meter hochwirft, benötigen auch
die Caesiumatome knapp eine Sekunde, bis sie zum Ursprung
zurückkehren. Auf diese Weise wird die Wechselwirkungszeit
T verlängert und die Linienbreite des gemessenen Resonanzsignals
entsprechend verringert.
In
einer magnetooptischen Falle werden ca. 107 Cs-Atome aufgesammelt
und durch Laserkühlung und sogenannte "optische Melasse"
auf eine Geschwindigkeit von einigen cm/s abgebremst.
Durch geeignet eingestrahlte Laserfelder wird die Wolke
kalter Cs-Atome auf eine Höhe von fast 1 m geworfen. Die
Wechselwirkungszeit entspricht der Flugzeit zwischen den
beiden Passagen durch den Mikrowellen-Resonator (microwave
cavity) und liegt im Bereich von 0,5 s. Am Ende eines
Messzyklus wird mit einem optischen Nachweisverfahren
(detector) der Energiezustand der Cs-Atome nach der Mikrowellen-Anregung
bestimmt.
Bei
diesen "atomaren Fontänen" setzt die Schwerkraft der Meßauflösung
Grenzen. Schon für eine Meßdauer von einer Sekunde ist
eine riesige Versuchsanordnung notwendig. Man versucht
daher, kleinere Apparate für den Einsatz in Satelliten
und Raumstationen zu entwickeln (Pharao = Projet d'horloge
atomique par refroidissement d'atomes en orbite).
Die
Abweichung dieser Fontänen-Atomuhren beträgt im besten
Fall eine Sekunde in 33 Millionen Jahren, das entspricht
pro Tag einigen Millionstel des milliardsten Teiles einer
Sekunde. Allerdings sind diese Uhren schon von ihrer Funktion
her abhängig von der Schwerkraft. Ihr
(geplanter) Einsatz zur Überprüfung der Einsteinschen
Relativitätstheorien ist daher nicht ganz unproblematisch
(siehe Aufsatz
zum GPS).
1
Das Institut "Bureau International des Poids
et Mesures (BIPM) in Paris berechnet die offizielle Uhrzeit
mit Hilfe von GPS-Navigationssatelliten und per Messung der
Erddrehung an Hand von Laserreflektoren auf dem Mond. Zur Ermittlung
der Atomzeit dienen Frequenzgeneratoren als "Uhren". Die Signale
dieser Uhren werden zur Erkennung eventueller Störungen ständig
miteinander verglichen. Über das GPS-System wird permanent der
Mittelwert von etwa 200 Atomuhren in 60 Ländern berechnet. Diese
"Internationale Atomzeit" (TAI) muß allerdings noch leicht korrigiert
werden, da die Drehung der Erde geringfügige Unregelmäßigkeiten
aufweist. Mit der Einführung der Atomuhr 1967 wurde auch
ein neuer Zeitstandard vereinbart. Bisher hatte man die Zeit
anhand der Position der Sonne im Zenit, der Drehung der Erde
sowie ihres Umlaufes um die Sonne berechnet. Damit galt die
Sekunde als ein bestimmter Bruchteil der Erddrehung, nämlich
ihr 31.556.925,974ster Teil. Mit dem neuen Standard wurde die
Sekunde als das Zeitintervall definiert, das 9.192.631.700 elektromagnetischer
Schwingungen des Cäsium-133-Isotopes entspricht. Diese schwingenden
Atome stellen eine Art natürlicher Uhr von extremer Präzision
dar. Ein Atomtag ist daher die Summe von 86.400 Atomsekunden.
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